Das konnte einfach nicht wahr sein. Ungläubig starrte er das Bild, das sich ihm im Wohnzimmer bot. Er war es, er war es tatsächlich! Dieter Bohlen stand nackt in seinem Wohnzimmer, hatte anscheinend das Terrassenfenster eingeschlagen und blickte sich hilfesuchend um "Ich.. äh...äh.. ich hab da was gehört, dass da was in meinem Haus rummacht, da hab ich gedacht `Dieter, du tust jetzt besser mal weglaufen, sonst tut dir da so ein Einbrecher, der deine Goldenen Schallplatten stehlen will, noch was antun!` Ich hab gerannt und gerannt und gerannt und dann hab ich das Haus hier gesehen und mir wieder gedacht. ´Dieter, da gehst jetzt einfach hin und fragst mal, die sollen dir helfen, schließlich bist du ja der Dieter und die müssen dir helfen!"
Bastian war belustigt, ja, auch aufgrund des zugegebenermaßen kaum beeindruckenden Ausblicks auf Herrn Bohlens Köperein- und ausbuchtungen , aber v.a. aufgrund der Tatsache, dass er diesem Menschen als Slipknot-Hörer und Mosch-Fan wohl eher weniger Obdach und Schutz gewähren wollte. Aber da er ein weiches Herz hatte, und ihn schnell wieder loswerden wollte, ließ er ihn die "Bullen" anrufen und die kamen, Gott sei dank, schnell genug, bevor Bastian ein lebenslanges Trauma nach dem Motto "Allein mit Dieter" davongetragen hätte. Die Ordnungshüter nahmen ihn dann auch mit, ob um ihn unter ihren Schutz zu stellen oder in Gewahrsam wollte Bastian nicht mutmaßen, und Dieter bot ihm zum dank eine internationale Musik-Karriere an. Bastian winkte dankend ab...
Nun war er Gott sei dank wieder allein und konnte wieder seinen Gedanken hinterherhängen. Schnell eine Korn-CD eingelegt und den Sandsack fixiert und schon war Bastian wieder in seiner Welt. Das war seine art von Meditation. Er dachte wieder an Schule. Zur Zeit ging ihm dort eh alles gegen den Strich. Nicht nur die Schülertoiletten mit den jahrelang gesammelten versauten Sprüchen an der Wand waren zu Lehrertoiletten transformiert worden, nein, auch die Abschlussfahrt, und das Snowboardlager waren abgeschafft worden. Auch der alljährliche Steppkurs durfte nicht mehr stattfinden. Es schien, als würden all die liebgewonnenen Traditionen der Schule nicht mehr für wichtig genommen werden und als ob man die Schule in eine reine Lernfabrik umwandeln wollte. Die Schüler kamen sich aus dem Entscheidungsprozess komplett ausgeschlossen vor und er hatte schon viele heiße Diskussionen mit seinen Mitschülern geführt... Und der Kollegstufenbetreuer Herr Wenderle war auch nicht von der kompetentesten Sorte. Der Gute schien ein Problem mit dem....äh ja.... Aber was bringt das Aufregen denn? Rein gar nichts, dachte Bastian resignierend.
Nachdem er lange genug hirnlos auf den wehrlosen Sandsack eingedroschen hatte, war er seine Aggressionen, zumindest für heute, los. Er entschied sich den Fernseher zu gebrauchen und zäppte wahllos durch die Kanäle. Bei Dr. Verena Breitenbach blieb er hängen und informierte sich bei dieser Gelegenheit gleich mal über Potenzstörungen und Schwangerschaftsstreifen, die übrigens auch bei Männern auftreten können. "Erschreckende Erkenntnis!" dachte sich Bastian, bis ihm siedend heiß einfiel, was wohl seine Kumpels von ihm denken würden, wenn sie wüssten, dass er eine TV-Termin beim Frauenarzt hat.
Apropos Frau: Bastian beschloss seine Zeit sinnvoller zu nutzen und wieder einmal darüber nachzugrübeln, ob er denn das Mädchen von der Disco neulich jetzt endlich anrufen sollte. Zu berichten hatte er genügend, wobei er sich nicht sicher war, ob es angebracht war, gleich beim ersten Telefonat von Dieter Bohlen, nackt, in seinem Wohnzimmer zu erzählen. Möglicherweise würde sie das ganze etwas missverstehen. Und vor allem? Sollte man nicht immer mindestens drei Tage warten, bis man der Auserwählten seine Gunst in Form eines telekommunikativen Gesprächs schenkt? Er hatte sie ja am Samstag getroffen und heute war nun mal Montag, was nach Adam Riese erst 2 Tage Wartezeit machten, so oft es Bastian auch immer wieder nachrechnete. Naja, man musste sich ja sicher sein, schließlich könnte er sich verrechnet haben. Bastian hatte übrigens Herrn Wenderle in Mathe. Aber das nur am Rande...Zurück zu seiner Traumfrau. Er ließ die Szene nun schon zum 100. Mal vor seinem inneren Augen Revue passieren. Nach stundenlangem Gerede seinerseits, natürlich aus reiner Nervosität, hatte sie ihm endlich ihre Telefonnummer gegeben. Er war so glücklich und so stolz auf sich. Was war er doch für ein Kerl! Nun saß dieser "Kerl" aber ganz jämmerlich vor dem Telefon und kämpfte gegen das flaue Gefühl in seinem Magen an, das sich breit machte, sobald er an eine Tele-Abfuhr ihrerseits dachte. Was, wenn sie einen Freund hat, und mir die Nummer nur gegeben hat, um mich loszuwerden? Was, wenn es die falsche Nummer ist? Diese übliche schreckliche Tour? Was, wenn er vor Aufregung keinen Ton herausbrachte oder noch schlimmer, nur dummes Zeug schwafelte und seine Angebetete den Eindruck bekäme, er hätte entweder etwas zu viel geraucht oder er wäre einfach nur strohdumm und es nicht wert, eine Verabredung zu bekommen? Bastian seufzte: "Dabei rauche ich doch gar nicht...!" Was, wenn er, sofort wenn jemand abnahm, die schönsten Liebesschwüre in den Hörer säuselte, nur um dann festzustellen, dass ihr Vater am Telefon war? Bastian war schier am Verzweifeln. Er wälzte jede nur erdenkliche Möglichkeit durch und bei jeder, die ihm einfiel, er hatte eine sehr rege Fantasie, wurde er nur noch nervöser und sein Magen drehte sich mehr und mehr in Richtung südliche Hemisphäre. Was sollte er nur tun? Diese wunderschöne, kluge, witzige, charmante, warmherzige Frau, die ihm den Kopf so verdreht hatte, konnte er doch nicht aufgrund seiner elenden Feigheit einfach so an sich vorbeiziehen lassen?? Dann würde er womöglich als elende und noch dazu MÄNNLICHE Jungfrau enden, welch Schande für einen Mann wie ihn. Beim Stichwort "Mann" fiel ihm sein Motto wieder ein: "Ich bin ein Mann!" Jaaaa, und was für einer! Bastian begann sich seiner Sache wieder sicher zu werden und erinnerte sich an die vielen Komplimente, die er von Frauen schon bekommen hatte. Leider gehörten solche wie "Bastian, du hast das ja volle Kanne drauf, mit dem Counter Strike spielen, wah?" und "Mei, Buale, bisch du abbr gwachsa!" wohl am meisten dazu. "Ach was soll's?" dachte sich Bastian und richtete sich mit stolz erhobener Brust auf und entschlossenem Blick auf. "Ich bin ein Mann und ein Mann ruft nun mal eine Frau an. Das ist cool, das ist lässig, das ist souverän!" Er nahm den Hörer in die Hand, tippte mit sicheren Fingern ihre Nummer ein und gerade als sie sich mit ihrer wunderbar, elfenhaft sanften Stimme meldete, kam seine Mutter vom Einkaufen nach Hause und rief so laut schallend, dass das Mädel am Telefon es unweigerlich mithörte : "Bastian, ich hab das extra weiche Klopapier gekauft, das du so gern hast!" .................



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